Ich hatte mir schon seit Wochen vorgenommen, endlich mal wieder einen „klassischen“ und illustrierten Faselbeitrag mit DOS- und WfW-Thema für das Blog zu schreiben. Und hier ist er. Tada. Ich denke, viele Leute lesen wegen solcher Themen im Blog mit und fühlten sich durch zuviele Fremdthemen in den letzten Monaten gelangweilt. Oder liege ich falsch?
Wie auch immer. Ich wollte mich in folgendem Beitrag (auf die Gefahr der Wiederholung hin) mit einem Vorurteil befassen, das man leider allzu oft hört, wenn es um die praktische Anwendung von DOS und Windows 3.11 im Jahr 2023 geht. Da wird dann schnell mit Überzeugung erklärt, das System hätte seine Existenzberechtigung nur noch in der nostalgischen Nische. Beispielsätze in etwa wie folgt: „Wenn man so alte Betriebssysteme benutzt, ist man auf alte Software, Spiele und Anwendungen limitiert, weil es nichts Neues mehr gibt“ oder „Wenn man so alte Betriebssysteme benutzt, ist man auf Content und Mediendateien aus den 90ern limitiert, was automatisch zur Nostalgie führt“.
Irritierend an solchen Aussagen ist auch die Beweisführung dazu. Ich habe da leider oft den Eindruck, dass gerade im DOS-Bereich kaum mehr etwas praktisch an realer Hard- und Software ausprobiert wird (selbst im win31-Forum scheinen die wenigen Aktiven nur noch virtualisierte Umgebungen zu benutzen). Was letztlich dazu führt, dass Informationen zu oft auf theoretischen Vermutungen basieren oder aus zweiter Hand kommen und auch so bestätigt werden. „Diese zeitgemäße Anwendung kann mit einem so alten PC gar nicht richtig funktionieren. Guckst du hier auf diese theoretische Überlegung. Guckst du hier auf diese Webseite und den wikipedia-Artikel. Guckst du hier auf diesen youtube-Film. So ist das halt. Thema beendet…“
Grau ist alle Theorie und grün der DOS-Verzeichnisbaum (zumindest auf einem XT mit Grünmonitor ;)). Daher nachfolgend einige illustrierte Ausführungen auf realer Hardware.
Es ist natürlich korrekt, dass nur noch wenig neue Software für DOS-Rechner erscheint. Es ist auch korrekt, dass Mediendateien nicht mehr mit dem Gedanken an eine Verwendung auf DOS-Rechnern publiziert werden. Trotzdem sind beide Optionen nach wie vor verfügbar bzw. vielschichtiger.

Die aktuelle Version des Medienplayers mpxplay mit exe-Datum vom 24.10.2021.
Um für dessen Bandbreite kurz aus der file_id.diz zu zitieren: „AAC, AC3, AIF, APE, ASF/WMA, AVI, FLAC, FLV, MKV/WEBM, MP2, MP3, MP4/MOV, MPC, MPG/VOB, OGG, TS, WAV, W64, WV and CD player/ripper for DOS operating system“. Die meisten dieser Dateitypen kenne ich zugegeben nicht, also muss ich einfach mal davon ausgehen, dass er sie wiedergeben kann. Mit mp3 gibt es jedenfalls keine Probleme.
Was uns zu einem Thema bringt, das ich schon öfter angesprochen hatte. Abgesehen von unzählig verfügbaren mp3s aus dem Internet ist ein DOS-Rechner natürlich weiterhin auch mit aktuellen Hörbüchern kompatibel (wobei CD-Audio sogar auf dem 286er läuft). Kurioserweise ist auch im Jahr 2022/23 das CD-Dateisystem weiterhin das selbe wie vor 30 Jahren. Und obwohl DOS-Rechner nicht mehr die Zielgruppe sind, werden Dateinamen in der Regel weiterhin so angelegt, dass die aufsteigende Zählung „am Anfang steht“, was bei verkürzten Dateinamen notwendig ist. Hier als Beispiel ein Hörbuch von 2022 aus der Jugendbücherei mit mp3-Erstellungsdatum 31.01.2022:

Und auch wenn sich der praktische Nutzwert in Grenzen hält, erscheinen nach wie vor aktuelle Szene-Demos für DOS. Hier der Gewinner der Syntax 2022, die Demo „Aeon Drift“ mit exe-Datum vom 02.12.2022.

Was ist mit der Aussage, dass es keine aktuellen Spiele mehr gibt?
Wie schon öfter „lamentiert“, ist es leider so, dass für DOS nur noch wenige neue Spiele entwickelt werden, und wenn, dann in der Regel mit nostalgischer Mentalität und kompatibel mit XT und CGA. Von dem Level, den DOS-Spiele in der zweiten Hälfte der 90er hatten, sind wir da meist weit entfernt. Anders als auf vielen Homecomputern findet das Weiterentwickeln und Etablieren neuer Genres oder das Umsetzen von Demakes und Konvertierungen auf DOS kaum mehr statt. Die Gründe dafür sind vage, haben aber wohl damit zu tun, dass man das Label „Retrokult“ weniger auf DOS anwendet, weil die Rechner immer als austauschbare Werkzeuge konzipiziert waren.
Und trotzdem hat man natürlich Zugang zu neuen Programmen und Spielen, nämlich über Emulatoren für Homecomputer und Konsolen. Damit öffnet man sich nämlich eine Tür zu Retro-Projekten, die es außerhalb der PC-Welt gibt. Und für einen Commodore 64 z.B. reicht auch ein älterer DOS-VICE mit exe-Datum vom 19.04.2002 aus, um damit (fast) alle modernen Spiele und Demos ausführen zu können. In dem Sinne sind also Seiten wie die csdb eine stetige Quelle für aktuelle Spiele und andere Software.



Was ist mit aktuellen Mediendateien? Kann ich mir nur wav-Audio anhören und bmp-Bilder von 1992 ansehen? Natürlich nicht. Wie oben zu sehen war, deckt mpxplay ein recht breites Spektrum ab. Für visuelle Daten übernimmt xnview diese Aufgabe unter Windows.
Desweiteren ist es doch so, dass sich viele grundlegenden Medienformate in den letzten Jahrzehnten kaum mehr verändert haben. Für Audio ist es nach wie vor mp3, für Bilder nach wie vor jpg oder png und für Videodateien nach wie vor mp4. Wobei letzteres zwar prinzipiell weiterhin funktionert, allerdings bei einem Pentium 166 an die Leistungsgrenzen des Prozessors stößt.
Was uns zu den beiden Problemfaktoren führt, nämlich mp4 für Video und pdf für Textdateien/Bücher. In beiden Fällen ist eine Konvertiertung anzuraten, wofür man „leider“ extern einen modernen XP-Rechner in Anspruch nehmen muss. MPG ist ein ideales Format für ältere PCs und läuft im Grunde auch auf einem 30 Jahre alten 486er mit entsprechender Beschleunigerkarte. Was bedeutet, dass man quasi jeden aktuellen Film von youtube & Co problemlos auf 30 Jahre alter Hardware ansehen kann, sofern man keinen großen Wert auf höhere Auflösung legt.
Weil ich gerade keine passenden Bilder zur Hand habe, hier zwei Bilder aus älteren Beiträgen recycelt. Zum einen gibt es konvertierte Filme von youtube, zum anderen natürlich auch Quellen wie archive.org für z.B. ältere Anime OmU.


Im Fall von pdf gibt es zwei Optionen. Aktuelle pdf-Betrachter gibt es für DOS oder WfW nicht mehr (zumindest sind mir keine bekannt). Es ist aber so, dass manche pdfs online nach wir vor auch mit dem AdobeViewer aus den 90ern funktioneren. Das sind nicht mal nur reine Textdateien, ich habe auch schon Comics gesehen, die sich mit „altem“ pdf-Reader noch öffnen ließen. Generell hat sich im Format intern aber vieles verändert, so dass der alte Reader oft mit einer Fehlermeldung oder nicht lesbarem Ergebnis aussteigt. Da gibt es dann nur die Option, Dateien entweder extern in Einzelseiten als jpg/png umzuwandeln – oder eine Quelle zu suchen, auf der es parallel zum pdf-Download auch die Einzelseiten als Grafikdateien gibt (archive.org bietet das öfters an).
Hier als Beispiel das Editorial der pdf-Erstausgabe 10/1992 der PC-Games von kultmags.com. Umgewandelt in jpg lassen sich die Seiten leicht mit xnview lesen.

oder hier eine der vielen Manga-Fanübersetzungen von archive.org, die es dort bereits in Form von Grafikdateien gibt:

Ich hoffe, das war eine kleine „Beweisführung“ gegen die zu allgemeine Aussage, dass man mit einem 16-Bit Betriebssystem nur auf nostalgischen Content limitiert ist. Der Ironie, dass man für manche Konvertierungen einen externen Rechner mit Windows XP benötigt, bin ich mir natürlich bewußt.
Ich bitte zu bedenken, dass es immer schwierig ist, vom Röhrenmonitor abzufotografieren, daher wirken die obigen Bilder unschärfer und „grieseliger“, als sie in Wahrheit aussehen. Obwohl der 17-Zöller inzwischen auch nicht mehr der Jüngste ist, hat er nach wie vor ein astreines Bild.